Gegen Ende der Besetzung der Bauhaus-Uni in Weimar haben sich die Besetzer*innen nochmal mit einem ausführlichen Statement erklärt:
Zehn Tage sind kein Ende.
Heute ist der Oberlichtsaal der Bauhaus-Universität Weimar bereits
zehn Tage besetzt. Seit der Vollversammlung am 23. Januar hat sich
viel bewegt. Eine enorme Fülle von Programmpunkten bestimmten
die erste Woche der Besetzung. Die Solidarität innerhalb und
außerhalb der Uni war so groß, dass kaum genug Zeit für die vielen
Vorträge, Diskussionsrunden, Workshops und anderen
Veranstaltungen war, die die Studierenden und Lehrenden sowie
Menschen außerhalb der Universität anbieten wollten. Auch abseits
des Programms gab es deshalb viele wichtige Gespräche und
Debatten.
Währenddessen und dazwischen haben wir uns umeinander
gekümmert, füreinander gekocht, gemeinsam Tag und Nacht die
Besetzung organisiert und versucht, einen sicheren Raum des
Austauschs zu schaffen. Auch diese Erfahrungen sind ein wichtiger
Teil der Aktion. Wir haben Netzwerke geknüpft, Freund*innen
gefunden, Bündnisse geschmiedet, Banden gebildet und gestritten.
Wir haben den Raum, den wir geschaffen haben, gefüllt: Mit
tausenden Anliegen, Bedürfnissen, Vorschlägen, mit Kritik und Wut
und Diskussionen, mit Ängsten, Verletzlichkeit und Zusammenhalt.
Erst die Existenz dieses Raums hat uns zusammengebracht und die
Prozesse, die darin stattgefunden haben, ermöglicht. Die Besetzung
hat den Winter-Alltag durchbrochen und einen Raum geschaffen, in
dem der politische Diskurs an der Uni wieder möglich wird. Ein
Diskurs, in dem jede einzelne Person freier über ihre Beteiligung und
Rolle entscheiden konnte, als wir es sonst aus universitären
Kontexten kennen.
In den letzten Tagen haben wir versucht, die Ergebnisse dieses
Diskurses zusammenzubringen. Dabei haben wir uns auch unter
Druck gesetzt und setzen lassen. Wir wollten die Position, die wir uns
durch die Besetzung erkämpft haben, nutzen, um kurzfristige Ziele
durchzusetzen. Bei dem Versuch haben wir allerdings gemerkt, dass
sich unsere vielfältigen Perspektiven, Hintergründe, Interessen und
Anliegen nicht auf einige wenige Punkte herunterbrechen lassen.
Dem äußeren Druck entgegen, verweigern wir uns der
Reduzierung auf einige wenige Minimalforderungen. Es war und ist
uns wichtig, eine radikale Kritik an den bestehenden
Verhältnissen zu formulieren!
Die kapitalistische Arbeits- und Lebensweise ist die Ursache der
Klimakatastrophe. Die Folge davon ist nicht nur die Zerstörung der
Natur. Die ökologische Krise fällt mit anderen Krisen zusammen und
ihre Auswirkungen sind ungleich verteilt. Sie ist deshalb auch eine
soziale Krise und muss als solche behandelt werden. Dabei reicht es
nicht, kleine Stellschrauben zu drehen oder etwa im Rahmen eines
sogenannten Neuen Europäischen Bauhaus green
washing zu betreiben. Die Krise zu überwinden heißt, die
gesellschaftlichen Verhältnisse, die sie produziert, zu überwinden!
Die Institution Universität ist selbst in diese Verhältnisse eingebettet
und an deren Reproduktion aktiv beteiligt. Sie kann keine geeignete
Struktur sein, um diese Verhältnisse grundlegend zu verändern.
Deshalb haben wir kein Interesse daran, mit der Unileitung über
Einzelheiten zu verhandeln. Aufgrund ihrer Stellung innerhalb der
Institution und dieser Gesellschaft wird sie niemals ein ernsthaftes
Interesse an Veränderungen haben, weil es für sie strukturell keinen
Anlass dafür gibt. Die Autoritäten dieser Gesellschaft sind nicht
diejenigen, die von der Härte der Krisen getroffen werden. Wieso
sollten sie die Umstände, die sie in diese Position gebracht haben,
abschaffen wollen? Ihre Aufgabe ist es nicht, die Dinge zu verändern,
sondern sie zu verwalten, also dafür zu sorgen, dass sie so
bleiben, wie sie sind.
Deshalb halten wir an unserem Grundsatz fest: Wir bitten nicht, wir
handeln. Wir entziehen uns den Machtverhältnissen, die wir
überwinden wollen. Wir machen den gesellschaftlichen Wandel
nicht abhängig von Zugeständnissen. Wir nehmen ihn selbst in
die Hand! Und rufen dazu auf, dass radikale Kritik an den
Verhältnissen in Zukunft mehr Eingang in die Lehre findet.
Das bedeutet nicht, dass wir über individuelles Konsumverhalten
reden wollen. Es geht um kollektives politisches Handeln. Wenn wir
uns zusammenschließen, können wir marginalisierten Themen
Gewicht verleihen, die Herrschenden unter Druck setzen und unsere
vielfältigen Kämpfe für ein gutes Leben verbinden. Wir haben
während der Besetzung auch das Ausmaß der Belastung erfahren,
die das Führen dieser Kämpfe mit sich bringt. Aber wir sind
überzeugt, dass es das wert ist. Wir hatten nie den Anspruch, die
Probleme mit denen diese Gesellschaft konfrontiert ist, innerhalb der
Besetzung abschließend zu lösen. Wir wollten einen Raum schaffen,
Kritik zu formulieren, Probleme und Ziele zu diskutieren und die
Verhältnisse radikal zu hinterfragen. Wir wollten uns zusammentun,
unsere Komfort-Zone verlassen, uns organisieren, starke
Beziehungen und Strukturen aufbauen und den Wandel zu einer
gerechten Gesellschaft, in der ein gutes Leben für alle möglich ist,
selbst vorantreiben! Genau das haben wir in den letzten zehn Tagen
gemacht:
Wir haben in vielen Veranstaltungen diskutiert und miteinander
gearbeitet. Studierende sind gemeinsam mit Lehrenden und
Mitarbeitenden über die Raumfrage ins Gespräch gekommen. Wir
haben miteinander die Besetzung am Laufen gehalten und
verteidigt. Wir haben gemeinsam gekocht – nicht nur für uns,
sondern auch für viele Student*innen, die sich nicht aktiv an der
Besetzung beteiligen konnten, weil sie gerade im Abgabestress
waren. Auch sie suchten den Raum der Besetzung als sicheren Ort
des Miteinanders auf. Wir haben uns mit Besetzer*innen aus Jena
und Erfurt vernetzt. Wir haben versucht, die Wichtigkeit von
Fürsorgearbeit hervorzuheben, indem wir ein Awarenesskonzept
und -team aufgestellt haben. Wir haben Kritik an den
undemokratischen Strukturen der Uni geäußert. Wir unterstützen die
Public Art Student*innen in ihrem Anliegen, ihren Studiengang zu
retten und haben von ihnen gelernt, dass wir Mitbestimmung und
Gerechtigkeit immer wieder aktiv und konfrontativ einfordern
müssen. Wir haben der Unileitung gezeigt, wie eine rücksichtsvolle
Diskussionskultur aussehen kann und wir haben gelernt, dass es nur
Zeitverschwendung ist, zu versuchen, ihnen unsere Anliegen zu
erklären.
Die Besetzung war also erfolgreich. Das heißt aber nicht, dass
unsere Arbeit hier beendet ist. Wir machen weiter. Wir verlassen
heute den Oberlichtsaal, aber wir tragen unsere Anliegen,
Forderungen, Vorschläge und vor allem die Gewissheit, dass wir
etwas bewirken können, in die ganze Uni und darüber hinaus.
Wir werden immer wieder Wege finden, um zusammenzukommen
und uns zu vernetzen.
Wir werden immer wieder Wege finden, um noch mehr Menschen zu
erreichen.
Wir werden weiter widerständig sein, uns weiter organisieren und
weiter an den Verhältnissen rütteln.
Das bedeutet, dass wir uns jederzeit wieder die Räume nehmen
werden, die wir so dringend brauchen. Dass wir dort Räume
schaffen werden, wo sie gebraucht werden, ohne darum zu bitten.
Dass wir praktische Solidarität miteinander zeigen, wenn uns die
Krisen treffen. Und das bedeutet, dass wir
gemeinsam für Alternativen zur Dauerkrise
Kapitalismus kämpfen werden.
Wir bitten nicht, wir handeln.
Organisiert euch.
Bildet Banden.
Besetzt!