Pressemitteilung: Unangemeldete Party im Erfurter Luisenpark für ein selbstverwaltetes Zentrum

Besetzt!
Wir dokumentieren eine Pressemitteilung der „Gruppe Squat-Party“ zu einer unangemeldeten Partybesetzung am letzten Wochenende im Erfurter Luisenpark.

In der Nacht von Samstag (06.08) auf Sonntag (07.08) nahmen sich zahlreiche feierfreudige Menschen aus der linksalternativen Szene im Erfurter Luisenpark öffentlichen Raum zum Feiern, Diskutieren und Austauschen. Dass diese Party unangemeldet im Freien stattfand, hatte einen ganz politischen Grund: Seit nunmehr als zwei Jahren gibt es in Erfurt kein selbstverwaltetes Zentrum mehr und somit fast keinen Raum für Menschen, die abseits von normierenden gesellschaftlichen Vorstellungen diskutieren, ihre Kritik schärfen, leben und feiern wollen. Das Besetzte Haus auf dem ehemaligen Topf & Söhne-Gelände wurde im April 2009 von hochgerüsteten Polizeieinheiten gestürmt und anschließend zerstört. Für die Öffentlichkeit scheint es nun nie dagewesen zu sein.

Die kurzzeitige Besetzung öffentlichen Raums zum Feiern diente also nicht nur der Bespaßung der Besucher_innen, sondern sollte erneut auf den beschriebenen
Missstand aufmerksam machen, um das Problem eines fehlenden selbstverwalteten Zentrums in Erfurt wieder ins Bewusstsein vieler Menschen zu rücken und diese zugleich zu selbständigem Handeln zu mobilisieren.

Diese „Squat-Party“ war nicht die erste ihrer Art in Erfurt: Bereits am 10.06.2011 fand Am Wasserturm eine solche Party statt, die ein leerstehendes Gebäude für eine kurzzeitige Besetzung nutzte. Kurz nach Mitternacht störte die Polizei, weshalb die Besetzung schließlich aufgelöst und die Party abgebrochen werden musste.

Dazu kommentiert Paula Schramm, eine Sprecherin der Gruppe: „Es soll nicht die letzte Aktion gewesen sein, in der wir uns den Raum nehmen, den wir brauchen und den uns Stadt und Ordnungsbehörden verweigern. Wir werden weiterhin alles daran setzen, wieder einen Raum zu schaffen, der allen offensteht, die den gesellschaftlich vorgegebenen Normen nicht entsprechen können und nicht entsprechen wollen. Heute sind wir hier und morgen anderswo – denn es gibt viele leerstehende Häuser und öffentliche Räume in Erfurt, die auf uns warten!“

Extremisten wollen Domplatz mit Laserstrahlen verwüsten

Nachdem die Junge Union Erfurt aufgedeckt hat, dass im Mobilisierungsvideo der Berliner Kampagne „What the Fuck“ Kreuze zertrümmert werden, haben wir die Seite der Anti-Papstbesuch-Kampagne „Heidenspass statt Höllenangst“ untersucht und festgestellt, dass dort nicht nur Kreuze zertrümmert, sondern der ganze Domplatz durch Laserstrahlen vernichtet wird:

Wir fordern Michael Hose von der Jungen Union nachdrücklich dazu auf, Bodo Rammelow dazu aufzufordern, sich von dieser abscheulichen Gewaltdarstellung zu distanzieren! Ansonsten droht Erfurt ein katastrophaler Imageverlust.

Wer den verkraften kann und außerdem gegen die menschenverachtende Ideologie des Papsts auf die Straße gehen will, demonstriert am 23.09.2011 ab 18 Uhr (Erfurt, Bahnhofsvorplatz) und am 24.09.2011, 7.30-12.00 Uhr auf dem Anger — garantiert parteifrei und extrem religionskritisch.

„Es ist nunmal so in Gera ..“ – Vorabenddemo zum Rock für Deutschland

Vorabenddemo gegen das Rock für Deutschland Gera 2011Mit dem Statement „Es ist nunmal so in Gera“ eröffnet der Anmelder die Demo am Vorabend des „Rock für Deutschland“. In Gera ist es nunmal so, dass man schon als linksradikal gilt, wenn man das Grundgesetz zitiert. Entsprechend hat das Ordnungsamt kurzfristig die schon seit Monaten angemeldete Demoroute geändert, so daß die Abschlusskundgebung nicht wie geplant auf der Spielwiese stattfinden darf. Die Ordnungsbehörde befürchtet Vandalismus — von wem, ist unklar.

Obwohl drei Parteien, die Kirche und Gewerkschaften mit Landespromininenz vor Ort sind, haben sich gerade mal (gezählt) 200 DemonstrantInnen zusammengefunden, als die Demo sich auf dem Geraer Bahnhof zum Losgehen formiert. Die TeilnehmerInnen sind ein Querschnitt durch die Bevölkerung: Familien mit Kindern, Jugendliche, RentnerInnen, ..

Die Demo läuft durch leere Straßen, lediglich an den Arkarden (einem Einkaufszentrum) nehmen Außenstehende wahr, dass da jemand protestiert. Flugblätter gibt es keine, fast alle Transparente und Fahnen sind von Parteien. Aus dem Lautsprecherwagen scheppert Deutschpunk. Der Anmelder initiiert Sprechchöre wie „Alerta, Alerta, ..“ oder „One Solution, Revolution“ — was nur einen ganz kleinen Teil der Demo mitgerufen wird. Mehr Begeisterung ruft ein Richter aus Gera hervor. Er hat sich eine Basecap aufgesetzt und animiert die Demo zu einem Fangesang: „Die braune Brut in unsrer Stadt — Wir haben sie ganz dolle satt satt; Ihr seit stolz aufs Vaterland — Der Grund der ist uns unbekannt; Ihr selber könnt es ja kaum sein — die Leber groß, das Hirn ganz klein“ — und so weiter.

Vorabenddemo gegen das Rock für Deutschland Gera 2011Bei der Abschlusskundgebung spricht die Thüringer Sozialministerin Heike Taubert und sagt, dass in Deutschland seit 66 Jahren Frieden herrsche und die Wehrhafte Demokratie wachsam gegen den braunen Spuk sein müsse. Gerade sie als Mutter sei sehr dafür, sich mit den Nachbarvölkern gut zu verstehen. Astrid Rothe-Beinlich von den GRÜNEN positioniert sich gegen das „Hass-Festival“ und die Geraer Versammlungsbehörde und wünscht dem friedlichen, bunten Protest einen langen Atem. Martina Renner von der Partei „Die Linke“ spricht über die hohe Bedeutung des „Rock für Deutschland“, wirft anderen PolitikerInnen vor, Antifaschismus strategisch zu betreiben („Phantomdebatte NPD-Verbot“) und fragt in Richtung der Geraer Stadtverwaltung, wieso es kein Bündnis der „Zuständigen“ mit den „Anständigen“ gebe. Wolfgang Lemb (SPD) ist entschlossen, das Nazi-Event friedlich zu verhindern. In Richtung der Versammlungsbehörde formuliert er ganz entschieden, dass er die Entscheidung, das Nazi-Konzert unter dem Schutz des Versammlungsrechts stattfinden zu lassen irgendwie nicht ganz so glücklich findet. Sandro Witt von des DGB Thüringen positioniert sich gegen die Extremismuslogik und fordert den Rücktritt des Beigeordneten Bürgermeisters, sollte es von der Stadt keine Klarstellung bezüglich des butterweichen Umgangs mit den Nazis geben. Ein letzter Redebeitrag, der versucht zu begründen, wieso AntifaschistInnen auch gegen den Besuch des Papst im September in Erfurt auf die Straße gehen sollten, findet wenig Anklang: Die VeranstalterInnen weisen gleich im Anschluss darauf hin, dass es sich um eine Einzelmeinung handelt und man gerne das Bündnis mit der Kirche sucht.

Danach soll die Demo eigentlich enden. Weil viele TeilnehmerInnen aus gutem Grund keine Lust haben, alleine den Weg durch die Stadt anzutreten, wird spontan eine Demonstration zurück zum Bahnhof angemeldet. An Ende schildert der Anmelder noch einmal eindringlich die Zustände in Gera, wo Übergriffe, unverholene Drohungen und Sachbeschädigungen von Naziseite sowieso Normalzustand sind, aber in den letzten Wochen vor dem „Rock für Deutschland“ nochmal gehäuft aufgetreten sind.

Die Konzentration auf einen betont bürgerlichen Antifaschismus scheint in Gera Wirkung zu zeigen: Anders als man es von früheren Demos kennt, äußern sich die BürgerInnen der Demo gegenüber nicht sofort feidseelig. Einige AutofahrerInnen sind zumindest so interessiert, daß sie nicht über die Verkehrsbehinderung schimpfen. Eine winkt einem Bekannten in der Demo. Ein paar Hiphopper vor einem Szeneladen finden die Demo gut. Zwei modisch gestylte Jugendliche unterhalten sich und schütteln mit Blick auf die Demo den Kopf: „Ich bin zwar nicht für die Nazis, aber die Gestalten da ..“. Und dann gibt es in Gera natürlich immer noch jede Menge muskelbepackter junger Männer in Tarn- oder Sportklamotten, die an jeder zweiten Ecke breitbeinig mit verschränkten Armen rumstehen und die Demo nicht verbal kommentieren.

Das Aktionsbündnis Gera zeigt sich nach der Demo zufrieden. Ob es auf lange Sicht sinnvoll ist, den Inhalt auf ein reines „die Demokratie friedlich vor den Rechtsextremen schützen“ einzudampfen und radikalere Inhalte nur im musikalischen Begleitprogramm und in plakativen Parolen zuzulassen, wird sich zeigen. Die magere Beteiligung trotz der ungemeinen Breite des Bündnisses spricht eher dagegen.

Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat

„Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“ ist ein Klassiker des Individualanarchismus. Der Autor Henry David Thoreau hatte 1845 die Schnauze voll vom Staat und zog in eine Hütte im Wald. Dort schrieb er „Walden“ — auch ein Klassiker. Später hielt er Vorträge, die er irgendwann zu einem Essay namens „Civil Disobedience“ zusammenfasste. Dieser Titel (dt. Ziviler Ungehorsam) wird später zur Bezeichnung einer ganzen Traditionslinie des Widerstands, die sich weniger auf den bewaffneten Kampf als auf den bewussten und offenen Verstoß gegen Gesetze verlässt und oft die Verhältnisse nicht umstoßen, sondern verbessern will. Der Anfang des Essays wurde von einem unbekannten Künstler vertont:

[audio:https://sabotnik.infoladen.net/images/mananacompilationregierungen.mp3] Download (.mp3)

Die deutsche Übersetzung des berühmten Essays heißt „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“ und ist im Infoladen zu haben unter der Signatur A15.

Wir erfassen gerade unseren Buchbestand elektronisch und weisen dabei in loser Folge auf besonders bemerkenswerte, skurrile oder lesenswerte Bücher hin.

Marx-Engels-Werke: Über 30 Bände zu verschenken

Ergänzung: Die Bücher sind vergeben. Das ging schnell.

Durch eine großzügige Spende haben wir jetzt den größten Teil der blauen Dietz-Ausgabe der Marx/Engels-Werke doppelt. Das bedeutet geschätzte 40kg solide Theorie, die hier leider im Weg rumstehen. Wer möchte, kann gerne die ganze Kiste oder einzelne Werke daraus mitnehmen. Ach ja: Band 3, 24, 25, 26 sind nicht dabei.

Zeitzeuginnengespräch und Antirepressionsdemo in Weimar


Mit einem Zeitzeuginnengespräch im Rahmen des 23. Antifacamps Weimar/Buchenwald und einer Antirepressionsdemo war linkes Engagement am vergangenen Freitag gleich zwei Mal in Weimar präsent.

Ab 14 Uhr sitzen ca. 50 vorwiegend schwarz gekleidete Menschen zwischen 10 und 50 Jahren im Halbkreis auf dem Boden vor dem Goethe-Schiller-Denkmal. Auf dem Theaterplatz erzählt eine Zeitzeugin des Nationalsozialismus aus ihrem Leben. Anna Kerstan kam als Tochter eines sozialdemokratischen Elternhaus zur Welt. Ihre Eltern wandten sich Ende der 1920er-Jahren den Kommunisten zu — „die kämpften entschlossener gegen den Aufstieg der Nazis“. Der Vater wurde 1938 als Jude und Kommunist hingerichtet, Anna Kerstan floh in die Sowjetunion, wo sie bei Moskau in einem internationales Kinderheim untergebracht wurde. Kerstan erzählt von Begegnungen mit geflohenen Kindern aus der ganzen Welt, von ihrer zweiten Muttersprache russisch und von Debatten um Materialismus und Idealismus — Fragen, die auch heute noch diskutiert werden, nur dass es keine internationale Bewegung gibt, die gefährdete Kinder am anderen Ende der Welt in Sicherheit bringen könnte. Auf die Frage, was sie heutigen AktivistInnen ans Herz legt, nennt sie zweierlei: Zum einen rät sie dazu, die Verhältnisse öfter zum Anlass für widerständiges Handeln zu nehmen, statt sich nur zu empören. Zum anderen äußert sie Besorgnis über ein Erstarken rassistischer und wohlstandschauvinistischer Einstellungen — auch in der Linken.

Das Laufpublikum reagiert unterschiedlich. Einige setzen oder stellen sich dazu, hören zu oder stellen Fragen, viele hasten einfach weiter, manche demonstrativ zwischen der Zeitzeugin und den ZuhörerInnen durch. Ein älterer Herr und ein sportlich gekleideter junger Mann schimpfen halblaut irgendwelchen Nazikram vor sich hin.

Nach dem Ende des Zeitzeuginnengespräch ändert sich das Publikum. Viele der CampteilnehmerInnen bewegen sich zurück nach Buchenwald, während ein bunteres Publikum sich langsam einfindet.

Das Graswurzelnetzwerk – das nichts mit der Utopia oder der Graswurzelrevolution zu tun hat, sondern eher den regionalen Bügerbündnissen gegen Rechts nahesteht – hat aufgerufen, gegen Repression zu demonstrieren. Als Anlass nennt das wohl eher fix zusammengeschrieben Flugblatt die aktuellen Ermittungen gegen AntifaschistInnen, das Auftreten der Polizei bei Stuttgart 21 und die brutalen Räumungen von Liebigstraße und dem Topf-Squat. Die meisten Redebeiträge fordern Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Bürgerrechte, faire Verfahren und so weiter. Das wird alles fundiert und genau begründet vorgebracht, darüber hinaus geht es kaum. Ein Transparent fordert passend dazu die besonnene Anwendung des §129a.

Im merkwürdigen Kontrast zum bürgerlichen Inhalt stehen die Sprechchöre — „Wir sind alle 192a“ — und die Musik — Szeneschlager von Egotronic bis Deutschpunk.

Auf dem Marktplatz erläutert ein Redebeitrag einen weiteren Anlass für die Antirepressionsdemo: Aus Protest gegen den ausschließenden Charakter des völlig kommerzialisierten Zwiebelmarks (ein jährlich stattfindendes großes Volksfest in Weimar) und dem dort herrschenden rassistischen, sexistischen und homophoben Klima fand am 9.10.2010 eine „Reclaim-your-Zwiebelmarkt“-Party unter der Sternbrücke statt. Diese Party — eher ein lockeres Zusammentreffen am Rande der Innenstadt — wurde von der Polizei aufgelöst und an die vermeintlichen OrganisatorInnen Strafbefehle versandt.

Sonderlich viele Menschen laufen nicht mit. Weder die Massen, die Gesichtzeigen gehen, wenn Nazis demonstrieren, noch die radikale Linke ist mit vielen Leuten auf der Straße. Zum Teil liegt das sicherlich daran, dass kaum für die Demonstration geworben wurde — was schade ist, denn Gründe für ein breites Eintreten gegen Repression gibt es beileibe genug.

Anarchie ist drin, Frau Nachbarin

Mensch kennt das: Kaum sagt jemand Anarchie, erwiedert wer anderes „Das geht doch sowieso nicht“. Womit die Diskussion sogleich ins Reich der Hypothesen und Visionen verwiesen wäre — wenn es nicht gleich darum geht, sich darüber zu streiten, ob Machbarkeit nicht schon ein Problem per se ist. Als Beleg für die konkrete Machbarkeit anarchistischer Entwürfe zieht mensch dann vielleicht noch die Machnowstschina oder Spanien 1936 heran. Wissen darüber, wann und wo Menschen sich entschlossen haben, ohne Staat und Herrschaft zu leben und wie sie dann ihre Angelegenheiten geregelt haben, gibt es kaum.
Wer das bedauert, kann sich im Infoladen das Buch „Völker ohne Regierungen. Eine Anthropologie der Anarchie“ ausleihen. Das stellt aus anthropologischer Sicht fast 30 Konstellationen vor, in denen sich Menschen ohne Regierung und Staat organisiert haben. Dazu gibt es einen 50seitigen Theorieteil „Über das Wesen der Anarchie“. Das Bändchen ist (wie fast alle Bücher hier) schon etwas angestaubt, was man auch am Begriff „Völker“ merkt, den heute wohl kein anarchistisches Werk im Titel führen würde. Auch ist es sicher möglich, dass der anthropologische Blick zu Eurozentrismus und zur Romantisierung des „einfachen Lebens“ neigt und dass bei weitem nicht alle vorgestellten Modelle sonderlich emanzipatorisch sind.
Aber Egal. Wer nach Antworten auf die Aussage „Das geht doch sowieso nicht“ sucht, kann das Buch ja ausleihen und lesen. Und eine richtige Rezension schreiben. Oder eine kleine Lesung im Veto machen.

Harold Barclay; Völker ohne Regierung. Eine Anthropologie der Anarchie. Berlin 1985. Signatur A19

Wir erfassen gerade unseren Buchbestand elektronisch. Kann gut sein, dass wir in loser Folge auf besonders bemerkenswerte, skurrile oder lesenswerte Bücher hinweisen.

Handyüberwachung in Dresden schon im Juni 2010

Die taz meldet hier, dass die sächsische Polizei nicht nur im Februar 2011, sondern schon beim Naziaufmarsch am 17. Juni 2010 Verkehrsdaten von Mobiltelefonen in Dresden erhoben hat. Legitimiert wurde die Überwachung durch ein §129-Ermittlungsverfahren gegen Antifas. Die taz berichtet, an dem besagten Tag sei eine der betroffenen Personen erfolgreich lokalisiert worden.

[Erfurt] 10. Punxboottour

Schlauchboottour Erfurt 2011Heute, am 23.07.2011 fand in Erfurt die mittlerweile 10. Punxboottour statt. Das heißt, dass sich morgens um 12:00 Uhr Punks, Alternative und alle Anderen die in Partylaune sind mit alten Reifen in Erfurt in einen Zug setzen, nach Bischleben fahren um zu Frühstücken und später mit den Reifen als Boot in die Gera begeben um durch den Luisenpark bis zur Krämerbrücke zu fahren.

Dieses Jahr fand neben der Bootstour auch noch das Fußballspiel Rot-Weiss Erfurt gegen Carl-Zeiss Jena (3:0) statt. Das sah mensch auch deutlich am durch das Polizeigeprägte Stadtbild. Da der Treffpunkt für die Bootstour (Hauptbahnhof) auch der Anreisepunkt für die Jenaer und einer der Sammelpunkte für Erfurter Fans ist, waren die Zahlreichen Beamten in Grün wie Dunkelblau-Schwarz auch leicht verwirrt. So verirrten sich mindestens zwei gut verkabelte Zivilbeamte zu den ca. 30-40 Leuten, die auf dem Bahnsteig den Zug in Richtung Bischleben erwarteten. Aber nicht nur die Zivilbeamten verirrten sich auf den Bahnsteig, auch einige Beamt_Innen in Kampfanzügen schienen auf den Zug nach Bischleben zu warten. Offensichtlich fiel ihnen rechtzeitig auf, dass ihr Reiseziel nicht Bischleben ist, weshalb sie nicht mit in den Zug stiegen.
In Bischleben selbst kam es dann aber tatsächlich zu einer kurzen Begegnung mit ein paar Polizist_Innen, die meinten, dass der Frühstücksort nicht einfach so zu betreten sei, schließlich wäre er Privateigentum. Später kam auch noch der Eigentümer des Grundstücks hinzu, war aber scheinbar beruhigt als ihm gesagt wurde die Zecken seien nach einer Stunde weg.
So kam es schließlich tatsächlich zur 10. Punxbootstour. Einige Menschen auf alten Reifen in der Gera, dazu noch etwas (oder auch etwas mehr) Alkohol sorgten für viel Spaß. Das größte Problem des Tages war das Wetter. Teilweise nur 15° Celsius plus Wind sind im Wasser keine allzu tollen Bedingungen. Das nächste Problem wurde – wie erwartet – die Polizei, die den geplanten Treffpunkt Krämerbrücke schon frühzeitig belagerte. Den dort anwesenden Menschen wurde ca. um 17:20 Uhr nahegelegt zu verschwinden, da es eine Verordnung gäbe, dass Menschen die dem „linken Spektrum an diesem Tag im Bereich der Krämerbrücke nichts zu suchen“ hätten. Ein paar wenige Menschen meinten, dass die „Verordnung“ nicht sonderlich glaubhaft sei. Um einer Diskussion bezüglich Glaubwürdigkeit vorzubeugen tat die Polizei genau das, was sie am besten kann – sie drohten mit einer sogenannten IDF. Als ein Mensch fragte, ob ihm der Begriff übersetzt werden konnte wurde in äußerst unfreundlichem Tonfall das Wort „Identitätsfeststellung“ über die Lippen gebracht. Gleichzeitig wurde damit gedroht, der „nächste Schritt“ sei „die Stadtverordung, welche den Alkoholkonsum in der Innenstadt verbietet“. Als da Argumentiert wurde, dass diese Innenstadtverordnung in einigen Städten bereits gekippt wurde, da sie einen massiven Einschnitt in die Versammlungsfreiheit bedeutet, wurde nur wieder gedroht. Im Laufe dieser „Diskussion“ wurde den Anwesenden durch die Polizist_Innen mitgeteilt, dem „Leiter der Veranstaltung wurde bereits mitgeteilt“, dass diese Bootstour nicht an der Krämerbrücke enden könnte. Stattdessen hätte mensch sich auf das „Venedig“ (ca. 10 Minuten Flussabwärts) als Endpunkt geeinigt. Da Kommunikation mit den Beamt_Innen auch an diesem Tag sinnfrei ist, lösten sich die Menschen an der Krämerbücke schließlich auf und verschwanden in Richtung Venedig bzw. Schlösserbrücke. An der Schlösserbrücke gab es nämlich ein paar Minuten später eines der Highlights der Tour zu sehen: Die Boote fuhren mitsamt ihren Insass_Innen einen Miniwasserfall hinab. Dabei verloren zwar einige der Boote ihre Insass_Innen und einige der Insass_Innen kurzeitig ihre Boote aber alles in allem war ein enormer Spaßfaktor vorhanden. Recht schnell hatten sich einige Bürger_Innen versammelt um mit zuzusehen, wie Punks, Alternative usw. Spaß haben. Und auch diesen Bürger_Innen war ein gewisses Grinsen ins Gesicht geschrieben.
Einige Meter weiter wurde einigen unterkühlten Fahrer_Innen das Grinsen allerdings aus dem Gesicht gepustet. Und zwar durch die Freund_Innen der Polizei. Diese meinten nämlich, es unterkühlten Menschen untersagen zu können, bereits an der Krämer auszusteigen um sich aufzuwärmen. Nachdem sie anfingen die Menschen zurück ins Wasser zu stoßen gingen schließlich ein paar Menschen dazwischen und redeten auf die Beamt_Innen ein, dies sei Nötigung sowie Körperverletzung, die Menschen seien sichtbar unterkühlt und müssten aus dem Wasser. Den Beamt_Innen schien das aber erst etwas auszumachen, nachdem Dienstausweise gefordert wurden. Einen Dienstausweis bekam zwar niemand zu sehen, aber die befürchtete Eskalation blieb aus. Schließlich „durften“ dann sogar einige der Leute kurz aus dem kalten Wasser raus, bevor sie weiter in Richtung Venedig gingen bzw. fuhren.
Dort wurden die Menschen von weiteren Beamt_Innen beobachtet und nach einer gewissen Zeit bekamen sie auch ihre Wechselklamotten und gingen sich aufwärmen.
Heute Abend gibt es außerdem noch eine Party im AJZ, um – hoffentlich zahlreich – diesen Tag angenehm ausklingen zu lassen und noch das eine oder andere Gläschen zu leeren.

Party ist wichtiger als Deutschland!

Schlauchboottour Erfurt 2011

Schlauchboottour Erfurt 2011

Kundgebung gegen Privatisierung von Wohnraum in Erfurt


Bewohner_innen des Rotdornwegs im Erfurter Norden demonstrierten heute vor der Stadtratssitzung auf dem Fischmarkt gegen den Verkauf ihrer Wohnungen. Die Häuser befinden sich im Moment noch im Besitz der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. Diese plant den Verkauf. In der Lokalpresse war zu lesen, die Kowo sei der Ansicht, dass sich eine Sanierung der Häuser nicht lohne. Dass „lohnen“ in diesem Sinne sich auf die ökonomische Nutzenmaximierung bezieht und nicht auf das Ziel, bezahlbaren Wohnraum nach den Bedürfnissen der Bewohner_innen zur Verfügung zu stellen, ist selbstverständlich.

Die Bewohner_innen fürchten, dass ein Verkauf an private Investor_innen unweigerlich Mietsteigerungen und spätestens nach zwei Jahren Eigenbedarfskündigungen nach sich ziehen wird. Aber statt sich in ihr Schicksal zu fügen und schon mal nach einer bezahlbaren Wohnung im Plattenbau zu suchen, sind die Leute vom Rotdornweg entschlossen, sich gegen die Privatisierung zu wehren. „Friedlich oder militant – wichtig ist der Widerstand“ — das steht auf einem der selbstgemalten Transparente. „Militant erst nach ein paar Gläschen Wein“, wie eine der Protestierenden lachend darauf angesprochen erklärt.

Als erster Erfolg kann gelten, dass der Verkauf der Häuser vom Aufsichtsrat der Kowo ausgesetzt wurde. Den betroffenen Bewohner_innen wurde angeboten, bei der Erstellung eines Nutzungskonzepts für die Häuser mitzuwirken — womit diese erst mal zufrieden wirken. Ob das ganze nur eine Strategie ist, um den Protest mit Konzepttreffen und Scheinbeteiligung ruhigzustellen, bleibt abzuwarten.

Gemeinschaftserlebnis Kindesmissbrauch

Wie die Antifa Suhl/Zella-Mehlis auf Indymedia berichten, haben Nazis im südthüringischen Zella-Mehlis mit einigem Erfolg den Tod eines Kindes für eine Kundgebung instrumentalisiert:

Z.-M.: Gemeinschaftserlebnis Kindesmissbrauch

Samstag, 25. Juni, 20.30 Uhr. In der Mehliser Struth versammeln sich am Parkplatz des Netto-Markts ca. 400 Menschen. Sie waren einem von Nazis gestarteten Aufruf gefolgt. Nur etwa die Hälfte von ihnen ist der regionalen Nazi-Szene zuzurechnen. Nun feiert die NPD bereits den Mobilisierungserfolg des „nationalen Widerstands“. Was war passiert? Weiterlesen

Kundgebung: Break Isolation! Schließt die Flüchtlingslager‎!

Break Isolation! Flüchtlingslager schließen!
Erobert eure Agenda zurück – Rassistische Isolation brechen!
Reclaim your Agenda to Close the Refugee Lagers and Break the Racist Isolation

Es geht um eine Bewegung, die Isolation von Flüchtlingen in Deutschland zu durchbrechen und die rassistische Verfolgung mittels staatlicher Migrationskontrolle öffentlich anzugreifen – ebenso wie deren Instrumente wie Residenzpflicht, Abschiebungen, Sozialleistungen und anderer Formen diskriminierender Isolation von Flüchtlingen in Lagern.

Kundgebung am 23. Juni, 18.00 Uhr, Anger Erfurt

Weitere Infos bei The Voice.

Umfassende Handyüberwachung bei Dresden-Protesten

Do the right thing!Die taz berichtet, dass die Polizei in Dresden am 19.2. Verbindungsdaten aller Mobiltelefone in der Südstadt erfasst hat. In die Wege geleitet wurde die Überwachung wegen eines Angriffs auf die Polizei: „“Die Polizei wollte herausfinden, ob bestimmte Personen, von denen Handynummern bekannt sind, sich am fraglichen Ort aufgehalten haben“. Die erfassten Daten wurden im weiteren Verlauf dann selbstverständlich auch für die Ermittlungen in anderen (weniger schweren) Fällen genutzt.
Der Vorfall zeigt: Der einzige Schutz vor einer flächendeckenden Analyse von Bewegungsprofilen und sozialen Netzwerken besteht in der Hoffnung auf den Rechtsstaat. Wer sich auf den nicht verlassen will, besorgt sich entweder regelmäßig ein anonymes Telefon oder verzichtet bei Demonstrationen und Aktionen mal auf einen Tag auf die ständige Erreichbarkeit.

Dienstag in Erfurt: Revolutionäres Theater ohne Penisse

Wenn der bürgerliche Theaterbetrieb subversiv sein will, malt er Penisse an Opernkulissen (wie unlängst in Erfurt), wirft sich in Sack und Asche und hofft verzweifelt, es möge sich doch bitte jemand aufregen. Tut aber niemand, weil die Masche 30 Jahre alt ist. Sascha Siebert, Mario Binkowski, Annabell Blumstein, Francesco Walenszus und Maike Reinhard haben dererlei nicht nötig. Ihr Theaterstück verhandelt die Räume, in denen sich aktuelle Kämpfe um ein besseres Leben abspielen. Es geht um Isolation im Alltag und im Knast, um Freiräume und Innenstadtaktion und um die zwanghafte Geschäftigkeit der Arbeitsgesellschaft. Und darum, daß es manchmal knallt.

Es hat keinen Zweck, den falschen Leuten das Richtige zu erklären. Kommunikation auf der Straße bedeutet: Fähig zu sein, die Foltermaschinen anzugreifen, die das Leben zu einer leeren Schale machen. Kissenschlachten in der Fußgängerzone. Wir haben die Techniken der kreativen Störung erlernt und schädigen mit unserem Dasein den Ruf einer Stadt, die eh keiner kennt. Was heißt: die Konflikte auf die Spitze treiben? Suppe kochen im Polizeikessel erschwert gegnerischen Hubschraubern die Überwachungsarbeit. Schrumpft alles oder werden wir immer größer? Unsere vitale Aktivität soll mehr sein, als ein Mittel zum Leben! Also ganz klar, wir müssen hier raus.

Dienstag, 21.06.2011, 19.30 Uhr, Offene Arbeit Erfurt
Samstag, 18.6.2011, 19.30 Uhr, Gotha (Brühl 10)

Mit dem Zug zur Demo gegen den Burschentag in Eisenach

Den Burschentag in Eisenach zum Desaster machen!
Der Burschentag in Eisenach ist ein Paradebeispiel dafür wie sich rechte Inhalte und Strukturen problemlos in die Gesellschaft einfügen: Kaum wer stört sich in Eisenach an dem Burschentag, vielmehr stellt er eine nicht zu verachtende ökonomische Ressource dar; fast alle verdienen am Burschentag. Dann ist es auch egal, dass sich die selbsternannte akademische Elite der völkischen Rechten einfindet. Dies werden wir nicht unkommentiert stehen lassen. Darüber hinaus wollen wir ein klares Zeichen gegen den rechten Konsens dieser Gesellschaft setzen. Reaktionäre Einstellungen sind an jeder Ecke anzutreffen. Deshalb darf sich der Protest nicht mit der Kampagne gegen den Burschentag in Eisenach erschöpfen, sondern muss stets auf eine emanzipatorische Gesellschaftskritik ausgerichtet sein.

Auf zur Demo gegen den Burschentag in Eisenach am 18. Juni!

Zugtreffpunkt:
18. Juni, 12.45 Uhr, Erfurt Hauptbahnhof

Weitere Infos: gegenburschentage.blogsport.de.

GWR-Autor zu struktureller Gewalt in der OA

Wenn im Jahr 400 Autos abgefackelt werden, ist das Gewalt. Wenn 4000 Menschen jährlich im Verkehr der auf Automobile optimierten Städte den Verkehrstod sterben, ist das normal. Das eine wird mit Sonderkomissionen verfolgt, das andere mit Abwrackprämie und Rettungskrediten über seinen wirtschaftlichen Tod hinaus am Leben erhalten. Den Blick auf strukturelle Gewalt schärfen will eine Veranstaltung mit dem Graswurzelrevolutions-Autor Johann Bauer am Donnerstag ab 20.30 in der Offenen Arbeit Erfurt:

Strukturelle Gewalt

„Gewalt liegt dann vor, wenn Menschen so beeinflusst werden, daß ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potentielle Verwirklichung“ (Johan Galtung)

In diesem Sinne liegt strukturelle Gewalt vor, wenn nicht direkte Handlungen Menschen verletzen, sondern Strukturen sie beschädigen. Die Frage ist, ob dieser Gewaltbegriff sinnvoll ist. Weiterlesen

Demonstration gegen den Coburger Convent – ein Bericht der Reisegruppe STH

Am 11. Juni 2011 fuhren wir, wie jedes Jahr, aus Thüringen nach Coburg, um an der Demonstration gegen den Coburger Convent teilzunehmen. Dieser Convent ist der jährliche Pfingstkongress von ca. 100 Turner- und Landsmannschaften, also widerlichen Männerbünden, vergleichbar mit Burschenschaften. Der Protest in diesem Jahr unterschied sich dabei kaum zu denen der Vorjahre.

Kaum in Coburg angekommen und unser Transportmittel verlassend, wurden wir schon auf die bayrischste aller Weisen willkommen geheißen, nämlich durch das USK, eine Polizei-Schlägereinheit, vergleichbar mit dem Thüringer BFE. Nach Personalienkontrolle, intensiver Durchsuchung in Taschen und am Körper und nachdem zum offensichtlichen Bedauern der Polizisten (es waren alles Männer) auch kein „Rauschgift“ im Regenschirm versteckt war, konnten wir passieren. 300 Meter weiter, kurz vorm Bahnhofsvorplatz, wo die Auftaktkundgebung stattfand, hielten uns das zweite Mal, diesmal nicht ganz so wortkarge, im Umgang mit Menschen offenbar besser geschulte, Polizisten an (wieder alles Männer). Hier gab es die zweite Kontrolle. Dass wir das Ganze schonmal durchhatten, interessierte die Herren herzlich wenig. Nach Kontrolle Nummer zwei, konnten wir zur Auftaktkundgebung durchdringen. Auf dem Platz vor dem Coburger Bahnhof hatten sich bis zum Start der Demonstration geschätzt zwischen

150 und 200 Menschen versammelt – also etwa so viele, wie in den Vorjahren. Nach zwei Redebeiträgen über den Coburger Convent (CC) und die deutsche Burschenschaft ging es los, durch die Stadt und bis zum Markt. Die Demonstration, die nebenbei bemerkt harmloser war als ein bayrischer Viehtrieb, wurde umschließend von Uniformierten begleitet und abgefilmt. Man weiß wohl nie…

Aus den Boxen schallte linke Folklore von Ton Steine Scherben bis Quetschenpaua. Die Pop-Antifa- und Elektrowelle scheint Bayern, oder zumindest Oberfranken, ausgelassen zu haben. Und auch inhaltlich waren die Beiträge an diesem Tag politisch eher altbacken. Zurück blieb der Eindruck, dass die Kritik eher reformistisch an die Verantwortlichen appellierte (zu bemerken u.a. an den permanenten Ansprachen „Liebe Bürger“, „Liebe Stadt Coburg“, „Liebe Presse“) anstatt kategorisch zu werden und zu erklären, warum dieser Kongress stattfindet und wieso das außer 200 zum Teil weit gereisten hier niemanden stört. Dieser fehlende radikale Charakter der Kritik konnte dann nur durch die Wunderwaffe der radikalen Bewegungslinken kompensiert werden, nämlich verbalradikale Phrasen, die aus dem Lautsprecher tönten (z.B. „Für die soziale Revolution“). Diese wirkten merkwürdig bis anachronistisch, wo am CC problematisiert wird, dass er sich nicht genug von Nazis abgrenzt oder wo sich empört wird, dass man als Organisator_innen für die geleistete Aufklärungsarbeit eigentlich im Rathaus empfangen werden müsste. Die inhaltliche Stoßrichtung schwankte zwischen Appellen an Stadtrat, Presse wie CC und Aufrufen mal Revolution zu machen, weil eh alles scheiße ist. Zurück blieb, neben verdutzten Eingeborenen am Streckenrand, eine inhaltliche Nebulösität.

Den Tiefpunkt stellte aber eine Kundgebung zwischen Markt und Bahnhof, auf der Mitte der Strecke, irgendwo in der Coburger Innenstadt dar oder präziser: ein Redebeitrag der Linkspartei bzw. deren Jugendorganisation Solid. Dieser war nicht nur inhaltlich schwer verdaulich, sondern vor allem die Vortragsweise erinnerte an eine bizarre Mischung aus Sportpalaststimme und Ernst Busch. Inhaltliches Anliegen des Redner schien es, zu begründen, warum der Habitus des CC, sich unpolitisch zu bezeichnen, Blendwerk sei, da ja im Grunde alles politisch ist. So weit nicht falsch, doch was danach kam, war auf so viele Weisen scheußlich, dass man gar nicht anzusetzen weiß. Um den radikalen Anspruch zu wahren betonte der Redner, dass, wer ihn kenne, wüsste, dass er der bürgerlich-libertären (sic!) Gesellschaftsordnung ja eher kritisch gegenüberstehe. Denn diese verspreche zwar Gleichheit, aber einige seien dann doch gleicher als andere. Nach dieser populistischen Weisheit brachte er die Kernpunkte seines Programmes frenetisch zum Ausdruck, indem er mehrfach innbrünstig durchs Mikrofon schrie, man stehe hier für Frieden, Freiheit und Solidarität und die Teilnehmer_innen aufforderte es ihm gleichzutun. Von dieser bizarren bis beschämenden Situation abgesehen: Sind die Begriffe Frieden, Freiheit und Solidarität für sich stehend schon etwas wünschenswertes? Könnte nicht „Frieden, Freiheit, Solidarität“ das künftige Jahresmotto des CC werden? Auch hier ist man für Frieden in Deutschland, für die Freiheit des Marktes und die nationale Solidarität. Dass so etwas, wie ideologische Bedeutungsverschiebungen aus Ideen und philosophischen Verheißungen (wie Freiheit und Gleichheit) Ideologien machen, die sie für die Dienstbarmachung des Bestehenden fruchtbar machen, ist eine grundlegende Einsicht, die die Kritik von Herrschaft erst möglich macht. Doch soviel ideologiekritische Reflexion war offenbar zu viel verlangt für einen Redner, der mit seinem Beitrag anderes im Sinn hatte, als zur Aufklärung beizutragen.

Der zweite Redebeitrag beschäftigte sich mit dem Extremismus-Begriff und seiner Instrumentalisierung zur Kriminalisierung emanzipatorischer Kräfte bzw. der Schutzfunktion für konservative bis faschistische Kreise, die sich durch das Bekenntnis zur FDGO von allen Übeln freisprechen können.

Am Marktplatz angekommen und während die schon traditionellen Angriffe der Polizei auf die Demonstrant_innen zu beginnen schienen, verabschiedete sich unsere Reisegruppe etwas angenervt, was nicht zuletzt auch daran lag, dass wir der populistischen Aufwiegelung überdrüssig waren und dass wir nicht so recht an eine soziale Revolution glauben wollten, die mit einem Rathausempfang beginnt und auf einer solchen auch nicht tanzen würden.

Bis zum nächsten Jahr…

Hände weg? Hände weg! Prozess gegen Thomas eingestellt

Der für Mittwoch in Erfurt angesetzte Prozess gegen den Fahrer des Lautsprecherwagens bei der Demo anlässlich der Räumung von Topf&Söhne ist gegen Auflagen eingestellt. Anscheinend waren die Anschuldigungen nicht haltbar. Die geplante Kundgebung um 8.00 Uhr vor dem Amtsgericht entfällt. Wir dokumentieren die Pressemitteilung der Unterstützer_innen Gruppe:

Der für morgen, den 08. Juni 2011 um 9 Uhr vor dem Amtsgericht Erfurt angesetzte Prozess gegen Thomas, den Fahrer des Lautsprecherwagens auf einer Demonstration gegen die Räumung des Besetzten Hauses am 16.04.2009, findet nicht statt. Der Richter hat angeboten den Prozess gegen Auflage in Höhe von 100 Arbeitsstunden einzustellen. Dieses Angebot, das nach §153a der Strafprozessordnung möglich ist, haben sowohl die Staatsanwaltschaft, als auch der Angeklagte angenommen.
„Somit werden wir morgen die geplante Kundgebung vor dem Amtsgericht nicht abhalten“, sagte heute Vera Grone, eine Sprecherin der Unterstützer_innengruppe und dankte ausdrücklich für die in der letzten Zeit bekundeten Solidarität. „Mit der Einstellung wurde deutlich, dass politisch und öffentlich geführte Prozesse den Druck auf die staatlichen Apparate erhöhen und sie nicht mehr ihr politisches Kalkül nach Belieben vollziehen können“, so Grone weiter. Ebenso schätze sie ein, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 26.05.2011 seinen Einfluss auf den Rückzieher zur Aburteilung von Thomas gehabt haben wird. Das Gericht stellte fest, dass sowohl die Gewahrsamnahmen, als auch die erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen die Sitzblockierer_innen vor dem Tor des Besetzten Hauses rechtswidrig waren.
„Die Annahme der Einstellung unter Auflagen bedeutet nicht, dass ich ein Eingeständnis zu einer Schuld oder Teilschuld vornehme, sondern vielmehr, dass ich mich dem politisch motiviert agierenden System von Anklage und Rechtsprechung weitestgehend entziehe und mich der Beliebigkeit eines Urteils nicht mehr aussetze“, so äußerte sich heute erstmals der Angeklagte Thomas selbst. Dabei verwies er auf den langen und zermürbenden Prozesszirkus von Staatsanwaltschaft und Gericht, welches die Verhandlung bereits 5 mal ansetzte und immer wieder verschob. Außerdem bedankte er sich für die immer wieder in der Öffentlichkeit stattfindende Mobilisierung für Solidarität und Unterstützung.
„Offensichtlich konnte dem Versuch der Staatsapparate, durch den Prozess im Nachhinein die Polizeieinsätze vom 16.04.2009 als rechtmäßig festzustellen und zu legitimieren, noch einmal ein Riegel vorgeschoben werden“, äußerte sich Vera Grone. „Das Angebot des Richters, als auch das Eingehen durch die Staatsanwaltschaft darauf, macht einmal mehr deutlich, dass die Anklage gegen Thomas eine große überzogene Luftnummer gewesen ist und die Anklagepunkte nicht haltbar gewesen sind“, so Grone weiter. Die Vorwürfe der schweren Körperverletzung, des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, dem Widerstand gegen die Vollstreckungsbeamten, der versuchten Körperverletzung und dem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz wären unter dem Druck und der Beobachtung der Öffentlichkeit eingestürzt wie ein Kartenhaus. Diese Blamage wollten sie nach dem 26.05.2011 offensichtlich nicht schon wieder produzieren und stellten das Verfahren ein, schätzt die Unterstützer_innengruppe von Thomas die neuste Entwicklung ein.

Coburger Convent auflösen!

Nächstes Wochenende steht wieder der Coburger Convent an, wo Alte Herren Nachwuchsakademiker in der hohen Kunst des öffentlich-die-eigene-Widerwärtigkeit-zur-Schau-stellen unterrichten. Irgendwie waren die Proteste im letzten Jahr ziemlich nett und überhaupt kann man im Westen immer Unterstützung im Kampf gegen Burschis gebrauchen… Aus Südthüringen nur ein Katzensprung und auch von Erfurt aus nicht sooo weit: Coburger Convent auflösen!

Hände weg von unserem Fahrer! – Diesmal wirklich!

Kundgebung: Hände weg von unser Fahrer -  diesmal wirklich!
Auf einer Demonstration gegen die Räumung des Besetzten Hauses in Erfurt wird Thomas plötzlich von einem Greiftrupp der Polizei unter Einsatz von Pfefferspray aus dem Lautsprecherwagen gezerrt und festgenommen. Er soll einen Polizisten angefahren und sich bei der Festnahme gewehrt haben. Jetzt, zwei Jahre später, soll ihm nun der Prozess gemacht werden. Wir sind solidarisch mit Thomas und kritisieren das polizeiliche Vorgehen und die Kriminalisierung von Protesten!

Am 16. April 2009 wurde das Besetzte Haus auf dem ehemaligen Topf & Söhne Gelände in Erfurt brutal von der Polizei geräumt. Dies veranlasste zahlreiche Unterstützer_innen der acht Jahre währenden Besetzung dazu, bundesweit an Solidaritätsaktionen teilzunehmen oder eigene zu organisieren. Auch Thomas solidarisierte sich durch Fahren des Lautsprecherwagens auf einer Demonstration nach der Räumung in Erfurt. Als sich der Demonstrationszug vom Anger aus in Richtung Fischmarkt bewegen wollte, stürmte die Polizist_innen plötzlich den Lautsprecherwagen. Sie zerrten Thomas unter Einsatz von Pfefferspray aus dem Wagen und verhafteten ihn. Heute, mehr als zwei Jahre später, am 8. Juni 2011, beginnt der Gerichtsprozess gegen ihn. Die willkürlichen Tatvorwürfe laut Anklageschrift lauten: „Verstoß gegen das Versammlungsgesetz jeweils in Tatmehrheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung“.

Dass diese Vorwürfe nicht nur völlig überzogen erscheinen, sondern hinter dem Vorgehen der Polizei bewusstes politisches Kalkül steckt, lässt sich an der damaligen Demonstration und dem kommenden Prozess gegen Thomas aufzeigen. Am Abend des 16. April 2009 versammelten sich mehrere hundert Menschen, um mittels einer Demonstration gegen die am Morgen stattgefundene Räumung des Besetzten Hauses auf dem ehemaligen Topf & Söhne Gelände in Erfurt zu protestieren. Bereits vor Beginn der Demo zeichneten sich die anwesenden „Sicherheitskräfte“ durch aggressives Verhalten aus.

Unzählige Vorkontrollen wurden durchgeführt und eine Reihe von Personalien aufgenommen. Als die Demo loslaufen wollte, kam es zu Übergriffen der Polizei auf die Demonstrationsteilnehmer_innen, in deren Verlauf mehrere Personen, darunter der Angeklagte, festgenommen wurden. Pfefferspray und Schlagstöcke wurden eingesetzt. Die Polizei wollte die Demo mit Gewalt am Loslaufen hindern. Von der Polizei wurde behauptet, dass nur eine Standkundgebung angemeldet gewesen sei, dass einzelne Demoteilnehmer_innen vermummt gewesen seien oder einfach, dass sich potentielle Straftäter_innen unter den Demonstrant_innen befänden. Über eine Stunde wurde die Demonstration am Anger festgesetzt. Der Polizei war offensichtlich daran gelegen, die Demonstration zu verhindern oder zumindest möglichst lange aufzuhalten und zu schikanieren. Diese Zustände sind nicht neu. Wer häufiger Demonstrationen oder Kundgebungen besucht oder einfach so in Kontakt mit der Polizei kommt, weiß, wie oft Polizist_innen scheinbar willkürlich handeln. Wie Gesetze nach eigenem Gutdünken ausgelegt und vollzogen werden. Wie ihnen missliebige Personen oder Personengruppen schikaniert und in politische Versammlungen hineingeprügelt, diese verboten oder an den Stadtrand verdrängt werden. Offensichtlich erscheint dabei, dass nicht nur die_der einzelne, ausführende Polizist_in scheinbar willkürlich handelt, sondern dass dahinter politische Entscheidungen stehen. Dass der Protest gegen die Räumung nicht gewollt war, zeigt dieser aggressive Polizeieinsatz deutlich.

Der Prozess gegen Thomas und Prozesse gegen andere Angeklagte haben unter anderem die Aufgabe, den Umgang mit den Demonstrationsteilnehmer_innen und die Handlungen der Polizei dabei im Nachhinein zu legitimieren. Wenn die zuvor anhand sehr weit ausgelegter Gesetze Festgenommenen nun beschuldigt und angeklagt werden, ist es für die Polizei politisch nützlich, von einem Gericht ihr Vorgehen bestätigt zu bekommen. So soll die Legitimation nachgeholt werden, in der Vergangenheit alles richtig gemacht zu haben. Ein gerichtliches Verfahren soll somit dazu dienen, die Polizei in ihrem Handeln auch für die Zukunft darin zu bestärken, genauso vorgehen zu können. Gleichzeitig sollen eventuell verurteilte Angeklagte kriminalisiert und Protest delegitimiert werden. Dies dient den staatlichen Repressionsorganen zur Abschreckung. Menschen sollen eingeschüchtert werden und sich nicht mehr trauen, ihren Protest auf die Straße zu tragen. Alle Lautiwagenfahrer_innen von Demonstrationen müssen gegebenenfalls, bei einer eventuellen Verurteilung von Thomas, mit ähnlichen repressiven Maßnahmen rechnen. Dem können wir nur entgegenwirken, wenn wir Thomas unterstützen, ihn bei seinem Prozess begleiten und wenn wir trotz der eventuell neuen Risiken weiter Lautiwagenfahrer_innen bleiben. Wir mucken nicht nur auf, dass wir ungerecht behandelt werden – wir haben ein Herz für den Aktivismus gegen diese Logik polizeilicher Vorgehensweise – trotz Staatlicher Repression!

Die Alltäglichkeit dieses Vorgangs ist ein Grund mehr, ihn zu kritisieren und dagegen vorzugehen. Wenn am 8. Juni der Prozess gegen Thomas eröffnet wird, spielt für die_den Richter_in das oben Genannte sicher nur eine untergeordnete Rolle. Dann geht es nur um eine individuelle Schuld oder Unschuld von Thomas, um individuelle Taten von Polizist_innen und anderen Zeug_innen. Es liegt an uns, die dargestellten Zusammenhänge zu thematisieren und an die Öffentlichkeit zu bringen. Es liegt auch an uns, Thomas solidarisch zur Seite zu stehen, denn jede_r von uns hätte zu diesem Zeitpunkt von der Polizei verprügelt und verhaftet werden können. Wen es trifft ist polizeiliche Willkür, dass es passiert ist politisches Kalkül! Angeklagt ist Thomas allein – gemeint sind wir alle!

Kommt zur Kundgebung „Hände weg von unserem Fahrer!“
Am Mittwoch, dem 8. Juni um 08.00 Uhr vor dem Amtsgericht in Erfurt!
Begleitet den Prozess ab 09.00 Uhr im Sitzungssaal 8.
Solidarität mit Thomas!

Infos und Kontakt: rotehilfeerfurt.blogsport.de || ugruppe.thomas (ätt ) googlemail.com

Polizeieinsatz bei der Räumung von Topf&Söhne z.T. rechtswidrig

Wie das Verwaltungsgericht Weimar heute festgestellt hat, war der Polizeieinsatz bei der Räumung des Topf&Söhne-Geländes vor über zwei Jahren zum Teil rechtswidrig. Damals wurden ca. 50 Personen in Gewahrsam genommen und z.T. einen Tag und eine Nacht lang festgehalten und schikaniert, darunter auch Minderjährige und Personen, bei denen unmittelbar nach der Gewahrsamnahme klar war, dass ihnen nichts vorgeworfen werden konnte. Vier der Betroffenen hatten das Land Thüringen daraufhin verklagt. Heute hat das VG ihnen Recht gegeben und damit die Thüringer Polizei daran erinnert, dass eine Bestrafung auf dem kurzen Dienstweg — also direkt nach dem Einsatz nach Gusto der beteiligten Beamt_innen — gegen geltendes Recht verstößt.
Auch wenn das nichts am Faktum der Räumung ändert, bleibt zu hoffen, dass das Urteil einen gewissen Eindruck auf übereifrige Ordnungshüter macht und dazu beiträgt, dass künftige Polizeieinsätze weniger brutal verlaufen. Das kommt letzten Endes auch der Polizei zugute. Den siegreichen Kläger_innen kann mensch nur gratulieren.

Ergänzung: Lokalpresse zum Prozess hier.

Ergänzung zwei: Einen Bericht vom Prozess gibt es bei haendehoch.blogsport.de.

Infoveranstaltung über die geplanten Proteste gegen die Innenministerkonferenz am 22. Juni

Demo gegen die Innenministerkonferenz am 22. Juni in Frankfurt am Main
Am 22. Juni findet in Frankfurt am Main die Innenministerkonferenz (IMK) 2011 statt, an der die Innenminister aller Bundesländer teilnehmen. Mit der Einschränkung des Versammlungsrechts, „Loyalitätstests“ für EinwanderInnen, der Ausweitung der Befugnisse von Polizei und Verfassungsschutz wie z.B. der Vorratsdatenspeicherung, der brutalen Abschottung Europas gegen MigrantInnen, der Propagierung der Extremismustheorie, usw. wird von staatlicher Seite aktuell auf sozialen Konflikte reagiert.

Statt einer weiteren Kriminalisierung sozialer Konflikte wollen wir eine solidarische Einrichtung der Gesellschaft, anstelle der Ökonomisierung unseres Lebens wollen wir eine Demokratisierung aller Lebensbereiche. Wenn diese bescheidenen Bedürfnisse die „innere Sicherheit“ des Standorts Deutschland stören, dann stören wir gerne.

Infoveranstaltung:
31. Mai, 19.00 Uhr, veto (Troms­dorfs­tr. 5, Erfurt)

Infos unter imkaufloesen.blogsport.de.

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